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Integration der Flüchtlinge auch eine Aufgabe für den Arbeitsschutz

Mit Blick auf die demografische Entwicklung und in der Folge den bereits heute in einigen Branchen deutlich spürbaren Facharbeitermangel ist die nachhaltige Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt eine wichtige Aufgabe.

Laut einem aktuellen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Typisierung von Flüchtlingsgruppen nach Alter und Bildungsstand sind 2015 circa 1,1 Millionen Flüchtlinge erfasst worden. In Abhängigkeit von Annahmen über die Entscheidungen in den Asylverfahren soll sich die Zahl der Flüchtlinge mit anerkanntem Schutzstatus im erwerbsfähigen Alter im Jahresdurchschnitt 2016 auf 320.000 bis 390.000 Personen belaufen.

Nach Angaben des Instituts besteht Potenzial für die berufliche Bildung: 30 Prozent der Flüchtlinge sind im Alter von 18 bis unter 25 Jahren. Allerdings müssen für viele dieser Personen durch eine Qualifizierung an allgemeinbildenden Schulen zunächst die Voraussetzungen für die Integration in eine Ausbildung geschaffen werden. In Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt besteht zumindest kurzfristig das größte Potenzial in Helferberufen. Hier kommt berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahmen große Bedeutung zu.

Eine Studie der OECD zur Migration gibt an, dass es in der Vergangenheit im Durchschnitt in den europäischen Ländern fünf bis sechs Jahre dauerte, bis die Mehrheit der Flüchtlinge in Beschäftigung war. Schnelles Handeln nach der Ankunft, frühzeitige Integration in Schulsysteme und den Arbeitsmarkt ist dabei für die langfristige Integration unabdingbar. Der Integrationsprozess selber sollte mit einer Bestandsaufnahme der Fähigkeiten beginnen, um Qualifikationen richtig einzuschätzen und zu fördern. Das Erlernen der Sprache sollte möglichst jobspezifisch und arbeitsplatzbezogen sein.

Das ifo-Institut fragte in Kooperation mit der Randstad Deutschland Ende 2015 mehr als 1.000 Personalleiter unter anderem „Haben Sie in Ihrem Unternehmen in den vergangenen 24 Monaten Flüchtlinge beschäftigt oder beschäftigen Sie aktuell welche?“: Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass ein Großteil der Unternehmen keine Erfahrungen mit Flüchtlingen gesammelt hat. Insgesamt geben nur sieben Prozent an, innerhalb der vergangenen 24 Monate Flüchtlinge in ihrem Unternehmen beschäftigt zu haben. Insgesamt erklären aber 34 % der Personalleiter, entweder in diesem Jahr oder ab 2017 in ihrem Unternehmen Flüchtlinge beschäftigen zu wollen.

Integration in den deutschen Arbeitsmarkt heißt aber auch Integration in das deutsche System von Sicherheit und Gesundheit.

Arbeitsmedizinische Vorsorge, Hautschutz oder PSA: Vielen ausländischen Mitarbeitern sind die deutschen Maßstäbe an Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz nicht bekannt. Verständigungsprobleme und mangelnde Kenntnisse von zum Beispiel islamischen Glaubensinhalten können schnell zu Konflikten führen, wenn muslimische Menschen in Deutschland zum Betriebsarzt gehen. Auch sind Probleme beim Thema Gleichberechtigung zu erwarten. Aber diesen Problemen muss man sich stellen und Konzepte zu deren Lösung entwickeln – und zwar auf beiden Seiten! Interkulturelle Kompetenz für Unternehmen und Beschäftigte ist das zentrale Stichwort. Denn nur so kann Integration gelingen.

Eine Vorstudie im Jahre 2011 zum Einfluss der Migration auf die Präventionstätigkeit in der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung diente dazu, festzustellen, ob ein besonderer Handlungsbedarf bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen im Bereich Migration besteht. Zum damaligen Zeitpunkt gab es die aktuelle Flüchtlingsproblematik allerdings noch nicht. Die Auswertung der Daten zeigte, dass der Bedarf im Bereich Migration eng verbunden war mit der untersuchten Branche und dem Bildungsstand der dort beschäftigten Migranten. So wurde hoher Handlungsbedarf in den Branchen gesehen, in denen viele Migranten mit geringer Qualifikation und geringen Deutschkenntnissen beschäftigt waren. Dort kristallisierten sich die Themenschwerpunkte „leicht verständliche Unterweisungen“ sowie „Sicherheitskultur“ heraus. In Branchen mit niedrigem Migrantenanteil oder auch in Arbeitsbereichen, in denen hochqualifizierte Migranten arbeiteten, wurde kaum Handlungsbedarf gesehen.

Die EU erwartet in den nächsten Jahrzehnten eine Netto-Immigration von bis zu 40 Millionen Menschen aus Drittländern. Wir stehen also erst am Anfang. Jeder Betrieb und in der Folge jeder, der sich mit Sicherheit und Gesundheit im Betrieb beschäftigt, ist gut beraten, Konzepte zur Integration zu entwickeln.

Silvester Siegmann

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