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Wie kann Mobilität im Alter sicherer gestaltet werden?

Viele Senioren führen ein selbstbestimmtes, aktives Leben – die unabhängige Mobilität mit dem eigenen Pkw gehört dazu. Mit zunehmendem Alter lässt jedoch die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit nach. In der Öffentlichkeit werden deshalb Forderungen nach Fahreignungschecks für Senioren laut. Doch gerade in Politik und Wissenschaft gibt es Stimmen, die eine andere Richtung vorschlagen. Wie kann Mobilität im Alter sicherer gestaltet werden? Diese Frage wurde auf dem Parlamentarischen Abend des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und der Deutschen Verkehrswacht (DVW) am 25. Februar 2015 in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin diskutiert.

Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg, unterstrich die Bedeutung einer offenen gesellschaftlichen Diskussion hinsichtlich möglicher Maßnahmen, um die Akzeptanz freiwilliger Gesundheitschecks bei älteren Verkehrsteilnehmern zu erhöhen. Zwang und starre Regeln dagegen würden eher abgelehnt, so der Minister.

DVR-Präsident Dr. Walter Eichendorf erinnerte an die Vielschichtigkeit der Themenfelder Senioren, Mobilität und Verkehrssicherheit und grenzte die Zielgruppe der Diskussion auf dem Parlamentarischen Abend auf Menschen ab 75 Jahren ein. Die Zahl der Fahrerinnen und Fahrer dieser Altersgruppe werde in den kommenden Jahren steigen. „Das eigene Auto bedeutet für diese Gruppe ein wichtiges Stück Lebensqualität, das es zu bewahren gilt“, so Dr. Eichendorf. Für die Verkehrssicherheitsarbeit ergäben sich daraus weitere Fragen: Werden damit die Risiken im Straßenverkehr insgesamt steigen? Sind ältere Kraftfahrer nur gefährdet oder auch gefährlich?

Nach Angaben von Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), sind drei Viertel aller Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Senioren im Alter ab 75 Jahren von diesen selbst verschuldet. Die Ursachen lägen im kognitiven Bereich – nicht „zu schnelles Fahren“ sei die Ursache, sondern Fehler etwa in Abbiege- oder Kreuzungssituationen. Brockmann warnte jedoch vor einer pauschalen Beurteilung allein aufgrund des Alters. Verpflichtende Gesundheitschecks hätten in anderen Ländern nicht den erwarteten Effekt gehabt. Vielmehr könnten sie beispielsweise dazu führen, dass ältere Autofahrer, die weiterhin mobil bleiben wollen, zum Umstieg auf das Fahrrad gezwungen werden. Hierbei wären sie einem höheren Unfall- und Verletzungsrisiko ausgesetzt als am Steuer eines Pkw.

In einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Senioren am Steuer – Geht’s noch?“ griffen die Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann (CDU/CSU), Stefan Zierke (SPD) und Herbert Behrens (Die Linke) sowie Siegfried Brockmann unterschiedliche Aspekte der Verkehrssicherheitsarbeit auf. Moderiert wurde die Diskussion von Marco Seiffert (Rundfunk Berlin-Brandenburg).

Gero Storjohann regte an, Beratungsangebote stärker am Alltag der Menschen auszurichten. In kleinen Schritten könnten Gemeinschaftserlebnisse in der Freizeitgestaltung unter der Fragestellung „Sichere Mobilität“ praktisches Wissen tiefer verankern. Nach Ansicht von Stefan Zierke sollten Aufklärungskampagnen für das Thema freiwillige Gesundheitschecks sensibilisieren. Zudem müsse Autofahrern der Mehrwert von Fahrerassistenzsystemen besser vermittelt und Anreize geschaffen werden. Denkbar sei, einen Nachlass bei Versicherungsprämien zu gewähren, wenn ein Fahrzeug bestimmte Assistenzsysteme enthalte. Herbert Behrens forderte Mobilitätsangebote, die die Bedürfnisse und Anforderungen aller Verkehrsteilnehmer erfüllen und sich nicht nur auf spezielle Risikogruppen konzentrieren. Siegfried Brockmann stellte fest, dass die vorgeschlagenen Gesundheitschecks in ihrem Umfang nicht zur Feststellung der Fahrtüchtigkeit geeignet seien. Er regte Fahrten unter qualifizierter Beobachtung an, um Rückmeldung zu ermöglichen und gemeinsam mit den Betroffenen Lösungswege einzuschlagen.

Als Fazit der Diskussion wurde deutlich, dass Mobilität im Alter viele Aspekte umfasst und sich Mensch und Mobilität in Wechselwirkung entwickeln und verändern. Weitere Bemühungen auf diesem Gebiet müssten deshalb stets die aktuellen Fortschritte in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft berücksichtigen.

In seinem Schlusswort regte DVW-Präsident und Bundesminister a.D. Professor Kurt Bodewig die Entwicklung einer Strategie an, die unterschiedliche Entwicklungen aufgreift. Dazu müsse man zunächst alle in der Diskussion vorgebrachten Ansätze ernst nehmen, so der DVW-Präsident. Er resümierte: „Wenn wir junge Menschen mit begleitetem Fahren in die Mobilität führen, dann ist Fahrbegleitung vielleicht auch ein geeigneter Ausstieg.“

Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR)

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