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HELP: Für ein rauchfreies Leben. Soziale Ungleichheit und Rauchen in der EU

Tabakkonsum bei Frauen und Männern konzentriert sich in der EU zunehmend in den unteren sozio-ökonomischen Gruppen. Die Prävalenz des Rauchens sowie die Anzahl der gerauchten Zigaretten sind bei Männern und Frauen bedeutend höher, die über ein niedrigeres Ausbildungs- und Einkommensniveau verfügen und einer unteren Gesellschaftsschicht angehören. In vielen EU-Ländern steht besonders bei Männern das Rauchen in direktem Zusammenhang mit sozio-ökonomischer Ungleichheit und einem damit verbundenen vorzeitigen Tod. Die von der EU im Frühling dieses Jahres gestartete HELP-Kampagne soll nicht nur zum Rauchstopp ermutigen, sondern auch die Kluft in der Raucherprävalenz zwischen den oberen und den unteren sozialen Gruppen verringern.

1. Soziale Ungleichheit und Rauchen: Muster und Trends
Im Jahr 2000 waren EU-weit mehr Männer der unteren sozio-ökonomischen Gruppen Raucher. Die durch Rauchen bedingten Ungleichheiten waren in Nordeuropa am stärksten ausgeprägt, besonders in Großbritannien. Auch in anderen Teilen Europas, besonders in Italien und Spanien, zeichnet sich dieser Trend in der jüngeren Generation ab – wenn auch weniger deutlich1.

Laut einer 1998 in Großbritannien durchgeführten Studie sind nur zehn Prozent der Frauen und zwölf Prozent der Männer in der obersten sozio-ökonomischen Gruppe RaucherInnen, während in der untersten Gruppe 35 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer zur Zigarette greifen.

In Ländern mit der längsten Rauchergeschichte, besonders in Nordeuropa, stellt das Rauchen die größte singuläre Ursache für Erkrankung und vorzeitige Mortalität dar2. Männer aus niedrigeren sozio-ökonomischen Gruppen haben ein weit höheres Risiko an tabakassoziierten Erkrankungen zu sterben als Männer aus höheren sozio-ökonomischen Gruppen3. Darüber hinaus wurden in acht sowohl süd- als auch nordeuropäischen Ländern bedeutende Ungleichheiten hinsichtlich der Lungenkrebssterblichkeit bei Männern festgestellt4.

Gesundheit und Lebenserwartung der Bürger stehen stets in engem Zusammenhang mit dem Wohlstand der einzelnen Länder. Mit dem EU-Beitritt ost- und mitteleuropäischer Länder nehmen, verglichen mit dem Niveau in Westeuropa, die Ungleichheiten auf gesamteuropäischer Ebene im Bereich Gesundheit zu.

2. Einflussfaktoren auf das Rauchverhalten
Die meisten regelmäßigen RaucherInnen beginnen während der Pubertät. Bei Jugendlichen mit geringerer Schulbildung, aus armen und sozial benachteiligten Verhältnissen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie mit dem Rauchen beginnen und süchtig werden. Gründe hierfür sind:

1. geringere Wahrnehmung der Risiken

2. familiärer Einfluss (Eltern oder Geschwister rauchen)

3. geringeres Selbstbewusstsein gegenüber dem Druck von Gleichaltrigen

4. Probleme mit der Familie oder in der Schule

5. psychologische Probleme

Im Erwachsenenalter ist bei Männern und Frauen mit geringer Schulbildung und geringem Einkommen bzw. bei Sozialhilfeempfängern die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie weiter rauchen oder nach einer Entwöhnung wieder mit dem Rauchen beginnen2. In benachteiligten Gesellschaftsschichten ist Rauchen die Norm, es besteht kein Anreiz zur Entwöhnung und möglichen Unterstützungsangeboten wird mit Misstrauen begegnet. Für viele ist Rauchen ein wichtiges Mittel zur Entspannung und Alltagsbewältigung. Es hilft ihnen, mit Stress, Langeweile und Armut besser fertig zu werden. Eine geringere Erfolgsquote bei der Entwöhnung in den unteren sozioökonomischen Gruppen ist auf folgende Faktoren zurückzuführen: ein höheres Niveau der Nikotinabhängigkeit bedingt durch eine höhere Durchschnittsanzahl an gerauchten Zigaretten, ein früheres Einstiegsalter, höherer psychosozialer Stress, mangelnde soziale Unterstützung, subjektiv wahrgenommene Hindernisse wie Gewichtszunahme und ein geringeres Selbstvertrauen, um erfolgreich vom Rauchen wegzukommen.

3. Tabak und Armut
Tabak fördert Armut, sowohl auf individueller als auch auf nationaler Ebene. Das Geld für Zigaretten fehlt sozio-ökonomisch Benachteiligten bei der Versorgung grundlegender Bedürfnisse, wie Essen, Wohnen, Bildung und Gesundheit. Sie geben einen größeren Anteil ihres Einkommens für Tabak aus als wohlhabendere Haushalte. Tabak trägt auch zur Verarmung Einzelner oder ganzer Familien bei, da RaucherInnen einem größeren Risiko ausgesetzt sind, krank zu werden oder frühzeitig zu sterben.

Auf nationaler Ebene bedeutet dies riesige wirtschaftliche Verluste infolge hoher Kosten im Gesundheitswesen sowie Produktivitätsverluste aufgrund tabakassoziierter Krankheiten und verfrühter Todesfälle. Die jährlichen Gesamtkosten für die medizinische Versorgung im Zusammenhang mit Tabakkonsum werden auf sechs bis 15 Prozent der gesamten Gesundheitskosten geschätzt5. Der ökonomische Beitrag der Tabakwirtschaft über Beschäftigung und Steueraufkommen wird durch die Kosten, welche den einzelnen Haushalten, dem öffentlichen Gesundheitswesen, der Umwelt und der Volkswirtschaft durch das Rauchen entstehen, wieder aufgehoben.

4. Schlussfolgerung
Die am 27. Februar 2005 in Kraft getretene und bereits von vielen EU-Mitgliedsstaaten ratifizierte WHO Framework Convention on Tobacco Control (FCTC) zeigt die Schlüsselelemente auf, die weltweit umgesetzt werden sollten, um dem Rauchen effizient zu begegnen. Die FCTC stellt die Bedeutung eines sozioökonomischen Ansatzes bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen heraus, um die Ursachen zu bekämpfen, weshalb benachteiligte Gruppen zu rauchen beginnen bzw. Schwierigkeiten haben, damit aufzuhören.

Viele Maßnahmen zur Tabakkontrolle sind dafür geeignet, die Gesamtprävalenz des Rauchens zu reduzieren und dabei gleichzeitig in den unteren sozio-ökonomischen Gruppen die größte Wirkung zu erzielen. Dazu gehören Werbeverbote, höhere Zigarettenpreise, Rauchverbote am Arbeitsplatz, kostenfreie Versorgung mit Entwöhnungshilfen sowie Rauchertelefone.

Das Potential der Entwicklung sozio-ökonomisch ausgerichteter Herangehensweisen an die Tabakkontrolle wurde jedoch europaweit noch nicht voll ausgeschöpft, in einigen Ländern wurden nur beschränkt Maßnahmen getroffen. Angesichts der zunehmenden Ungleichheiten in Verbindung mit dem Rauchen über die letzten Jahre könnte sich die Belastung durch tabakassozierte Erkrankungen künftig zunehmend auf Männer und Frauen der unteren sozio-ökonomischen Gruppen konzentrieren. Diese Gruppen zu erreichen ist oberstes Gebot, soll das Rauchen signifikant eingedämmt werden. Ohne effektive Maßnahmen werden durch das Rauchen bedingte Ungleichheiten vermutlich in den nächsten Jahrzehnten weiter bestehen und sich sogar noch ausweiten.

Quelle:
1. Cavelars, A et al Educational differences in smoking : international comparison. British Medical Journal, 2000.

1. Faggiano, F., E. Versino, and P. Lemma. Decennial trends of social differentials in smoking habits in Italy. Cancer Causes and Control 2001; Fernandex, E., et al. widening socioeconomic inequalities in smoking cessation in Spain, 1987-1997 Journal of Epidemiology and Community Health 2001.

2. EU Network on Intervention to Reduce Socio-Economic Inequalities in Health SocioEconomic Inequalities in Smoking in the EU. September 2004

3. Poverty and Smoking and Tobacco Control in Developing Countries. Oxford University Press. 2000.

4. Mackenbach JP et al., Inequalities in lung cancer mortality by the educational level in 10 European populations. European Journal of Cancer 2004

5. WHO Tobacco and Poverty – A Vicious Circle 2004.

Deutsche Informationen zum Thema:

DKFZ: Rauchen und soziale Ungleichheit – Konsequenzen für die Tabakkontrollpolitik

http://www.tabakkontrolle.de/pdf/Factsheet_Rauchen_und_soziale_Ungleichheit.pdf

Weltbank: Der Tabakepidemie Einhalt gebieten

http://www.tabakkontrolle.de/pdf/rauchfrei2004_tabakepedemie.pdf

HELP: Für ein rauchfreies Leben – Eine Initiative der Europäischen Union – http://www.help-eu.com DG Gesundheit und Verbraucherschutz

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