Sonstiges

Chancen und Risiken einer Deregulation. Paradigmenwechsel im Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Bundesrepublik Deutschland

Zusammenfassung
Zum 01.01.2005 traten mehrere neue Verordnungen, Richtlinien und die neue berufsgenossenschaftliche Vorschrift über Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (BGV A2) in Kraft, die eine grundsätzliche Neuorientierung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes darstellen. Der Gesetzgeber gibt allgemeine Schutzziele vor, die Umsetzung und damit die Ausführungsverantwortung liegt beim Unternehmer. Dieser muss eine umfassende Beurteilung der Gefährdungen in seinem Unternehmen erstellen und daraus entsprechende Schutzmaßnahmen ableiten, umsetzen und überprüfen. Die dazu teilweise erforderlichen Ausführungsbestimmungen werden erst in der Zukunft erarbeitet werden. Somit entsteht eine gewisse Rechtsunsicherheit. Der Bedarf an Beratung durch fachkompetente Personen wie Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit müsste daher zunehmen.

Summary
With new laws and rules becoming effective with the beginning of the year 2005 the intention of the goals of health protection and work safety has changed fundamentally in Germany. The legislative defines general goals in occupational health safety only, the responsibility of proper actions to reach these goals is delegated to the organizations. Supporting rules are lacking and are intended to be developed later. Therefore, an uncertain situation occurs. There will be an increasing demand for advice by experts in occupational medicine and work safety.

Zum 01.01.2005 ist ein Paradigmenwechsel in den gesetzlichen Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland vollzogen worden.
Viele Organisationen (Groß- und Kleinunternehmen, Einrichtungen öffentlicher Verwaltungen, Institutionen), sahen sich seit Jahren durch zahlreiche Vorschriften mit konkreten Prüffristen und Regelungen in ihrer täglichen Arbeit behindert. Unter dem Druck, auch EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen zu müssen, haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Forderungen der Unternehmen reagiert und sich zum Ziel gesetzt, sowohl
• die Anzahl der Rechtsvorschriften durch Zusammenführungen von Vorschriften zu verringern,
• den Detailliertheitsgrad der Vorschriften zu verringern und in allgemeine Schutzzielvorgaben zu überführen und
• das Verhältnis von staatlichem Recht und Unfallverhütungsvorschriften zur Vermeidung von Doppelregelungen neu zu ordnen.
Gesetzlich festgelegt wird nur, dass Beschäftigte in ihrer Gesundheit bei der Arbeit nicht gefährdet werden dürfen. Die Ausführungsverantwortung ist auf die Unternehmen übergegangen.
Der Gesetzgeber hat den Systemwechsel mit der Inkraftsetzung der Betriebssicherheitsverordnung im Jahr 2002 eingeleitet. In den Folgejahren bis 2004 wurden daraufhin bereits eine große Zahl von Unfallverhütungsvorschriften außer Kraft gesetzt und das Vorschriftenwerk der gesetzlichen Unfallversicherungsträger neu gestaltet. Novelliert wurde 2003 das Arbeitssicherheitsgesetz, im Mai 2004 das Chemikaliengesetz und im August 2004 das Arbeitsschutzgesetz (Tab. 1). Ebenfalls im August wurde die Arbeitsstättenverordnung radikal vereinfacht.
Basierend auf den Gesetzesänderungen traten zum 1.1.2005 die teilweise erheblich geänderte Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Biostoffverordnung und die Gentechniksicherheitsverordnung in Kraft (Tab.1). In der Folge wurde die Anwendung der TRGS außer Kraft gesetzt, die aber als Auslegungshilfen, soweit sie mit der neuen Regelung noch konform sind, weiter genutzt werden können. Übergangsregelungen sind nicht vorgesehen.
Die Einführung und Umsetzung dieser Gesetze, Verordnungen und Regelungen werden in der Anfangsphase mit erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten verbunden sein, da notwendige Ausführungsbestimmungen noch fehlen und erst im Laufe der nächsten Jahre erarbeitet werden können. In dieser Situation wird kompetente fachkundige Beratung für die Unternehmen immer wichtiger.

Neue Begrifflichkeiten und Definitionen

Mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung sind neue Begriffe in den Arbeits- und Gesundheitsschutz eingeführt worden (Arbeitsplatzgrenzwert, biologischer Grenzwert, Schutzstufenkonzept), die zunächst teilweise noch ohne konkrete Ausgestaltung in der täglichen Umsetzung des Gesetzes zu erheblichen (Rechts-)Unsicherheiten führen können.

Abschaffung der bisherigen Grenzwerte (MAK, TRK, BAT)

Besonders herauszuheben ist die Abschaffung der bisher bekannten Grenzwerte am Arbeitsplatz wie MAK-, TRK- und BAT-Werte, die durch den Arbeitsplatzgrenzwert (ABW) und den biologischen Grenzwert (BGW) ersetzt werden.
Der Arbeitsplatzgrenzwert ist ein Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei dem akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im allgemeinen nicht zu erwarten sind.
Der biologische Grenzwert ist ein Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffes, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material, bei dem im Allgemeinen die Gesundheit eines Beschäftigten nicht beeinträchtigt wird. Dieser Grenzwert ersetzt den alten BAT-Wert. Die Einhaltung des BGW ist zukünftig zu kontrollieren, soweit entsprechende Grenzwerte zur Verfügung stehen. Dies ist nur für sehr wenige Stoffe der Fall. Es bietet sich jetzt aber auch die Möglichkeit der Beurteilung dermaler oder oraler Expositionen durch Hautkontakt oder Verschlucken, die auch zur Beurteilung mangelnder individueller Hygiene am Arbeitsplatz von Bedeutung sein werden.
Die technische Richtkonzentration (TRK-Wert), die als Richtwert für eine Stoffkonzentration eines krebserzeugenden Arbeitsstoffes existierte, wurde ersatzlos gestrichen. In der Folge sind zukünftig deutliche Grenzwertabsenkungen für die ehemaligen TRK-Stoffe zu erwarten.

Aufwertung der Gefährdungsbeurteilung

Die Pflicht der Erstellung einer schriftlichen Gefährdungsanalyse ist sowohl durch die GefStoffV als auch durch die BGV A2 nunmehr auf alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und Anzahl der Beschäftigten ausgedehnt worden. Die Anforderungen an die Gefährdungsanalyse sind präzisiert und ausgeweitet worden und werden viele Unternehmen vor schwierig zu lösende Probleme stellen. Es muss verbindlich eine mögliche Gefährdung durch einen Stoff unter Betrachtung des konkreten Einsatzes im Unternehmen beurteilt werden. In der Gefährdungsbeurteilung müssen nun auch mögliche Kombinationswirkungen berücksichtigt werden. Dies wird schon auf Grund oft fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse schwierig. Dazu sind alle Stoffe und Zubereitungen im Unternehmen daraufhin zu überprüfen, ob sie Gefahrstoffe sind, also mindestens ein Gefahrenmerkmal nach § 3a des Chemikaliengesetzes erfüllen. Sicherheitsdatenblätter sind zur Informationsbeschaffung ein wichtiger Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung. Die Anforderungen an Sicherheitsdatenblätter wurden präzisiert. Auch alle „ohne weiteres“ zugänglichen Informationen sind zur Gefährdungsbeurteilung heranzuziehen, wobei dieser Begriff die Grenzen des „ohne weiteres“ offen lässt. Der Verzicht auf eine detaillierte Dokumentation ist bei „geringer“ Gefährdung möglich, muss aber nachvollziehbar schriftlich begründet sein.

Schutzstufenkonzept als Resultat der Gefährdungsbeurteilung

In Abhängigkeit von der ermittelten Gefährdung greift dann das neue Schutzstufenkonzept. Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst zulassen, wenn gemäß der Gefährdungsbeurteilung festgelegte Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Die Schutzmaßnahmen sind in einem Stufenkonzept nach insgesamt 4 Schutzstufen gegliedert (Tab.2). Die jeweilige Schutzstufe für den Beschäftigten wird durch die Höhe der ermittelten Gefährdung festgelegt und zieht konkrete Forderungen nach Gestaltung des Arbeitsplatzes, Messungen und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, um nur einige Punkte zu nennen, nach sich.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung: Pflicht- und Angebotsuntersuchungen

Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung wird künftig zwischen Pflichtuntersuchungen und Angebotsuntersuchungen unterschieden.
Pflichtuntersuchungen werden ausgelöst, wenn am Arbeitsplatz Tätigkeiten, von denen man eine Gesundheitsgefährdung annimmt, durchgeführt werden
• mit im Anh. V Nr. 1 GefStffV aufgeführten Gefahrstoffen oder
• bei im Anh. V Nr. 2.1 GefStffV genannten Tätigkeiten.
Diese Pflichtuntersuchungen sind zukünftig Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer erstmals oder weiterhin mit einer potenziell gefährdenden Tätigkeit betraut werden darf.
In den übrigen Fällen ist unter bestimmten Bedingungen den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung zu geben (Angebotsuntersuchung). In jedem Fall muss durch den Arbeitgeber eine entsprechende arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung veranlasst werden.
Eine wesentliche Änderung betrifft dabei auch die Berechtigung, diese Untersuchungen durchzuführen. Es dürfen nur noch Ärzte mit der Fachgebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen. Ein formales Ermächtigungsverfahren wird nicht mehr durchgeführt. Der Betriebsarzt muss bei fehlender Erfahrung weitere, entsprechend qualifizierte Ärzte mit der Untersuchung beauftragen und das Untersuchungsergebnis hinsichtlich möglicher Bedenken oder Auflagen bei der Ausführung der Tätigkeit bewerten.
Zumindest im Geltungsbereich der GefStoffV setzt diese Regelung auch andere Bestimmungen im berufsgenossenschaftlichen Regelwerk, insbesondere der BGV A2 und BGV A4, mit sofortiger Wirkung außer Kraft.
Durch die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes und die Änderung in den Gefahrstoffverordnungen war es auch notwendig, die Biostoffverordnung und die Gentechniksicherheitsverordnung an das neue Konzept des Arbeitsschutzes anzupassen. Eine wesentliche Änderung ist, dass arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen im Geltungsbereich der Biostoffverordnung oder in der Gentechniksicherheitsverordnung durchgeführt werden müssen, wenn es sich um Tätigkeiten mit biologischen Gefährdungen, die impfpräventabel sind, handelt oder um chronisch-schädigende Arbeitsstoffe bei regelmäßiger Tätigkeit mit erhöhter Gefährdung. Eine Untersuchungspflicht entfällt, sobald ein ausreichender Immunschutz hergestellt wurde. Die Tätigkeit mit akut gesundheitsschädlichen biologischen Arbeitsstoffen löst keine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung mehr aus, da hier nur eine Feststellung der gesundheitlichen Geeignetheit festgestellt werden könnte.
Andererseits wurde der Kreis der gefährdeten Personen, die einer Pflichtuntersuchung unterliegen, wesentlich ausgeweitet. Beispielweise zählen Jäger, Förster, Arbeiter, die mit Fäkalien und Abwässern in Berührung kommen und Beschäftigte in Einrichtungen mit vorschulischer Kinderbetreuung zum betreuten Personenkreis, da hier impfpräventabel Risiken gegenüber Hepatitis A, B, Tollwut, Frühsommermeningoenzephalitis, Borrelia burgdorferi oder den üblichen Kinderkrankheiten bestehen können.

Risiko der Deregulierung: Ausführungsverantwortung des Unternehmers

Die Deregulierung der konkreten Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz im Sinne einer Beschränkung des Gesetzgebers auf die Definition allgemeiner Schutzziele und der Wegfall von Vorschriften und Gesetzen mit detaillierten Regelungen bedeuten im Umkehrschluss aber auch, dass die Unternehmen sich im Falle eines Unfallgeschehens nicht mehr auf einschlägige (Prüf-)Vorschriften zurückziehen können, sondern gegenüber der Behörde nachweisen müssen, dass alle vorhersehbaren potentiellen Gefahren in der Gefährdungsbeurteilung ausreichend berücksichtigt waren. Es besteht eine unverzügliche Meldepflicht des Unternehmers an die Behörden über jeden Unfall und jede Betriebsstörung, die bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu einer ernsten Gesundheitsschädigung bei Beschäftigten geführt haben. Meldepflichtig sind auch Krankheits- oder Todesfälle, bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine Verursachung durch eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen besteht. Der Begriff „Tätigkeit“ ist sehr weit gefasst und schließt beispielsweise das Auftreten von Gefahrstoffen im Sinne von Nebenprodukten oder Verunreinigungen bei der Zubereitung oder Herstellung anderer Stoffe mit ein. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich festgelegt, dass die Behörden raschen Zugriff auf die mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammenhängenden Gefährdungsbeurteilung und die der Beurteilung zugrunde liegenden Informationen und Dokumentationen haben können und hat in allen Verordnungen auch Bußgeld-, Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbestände eingeführt.
Letztlich werden die Unternehmen dazu gedrängt, Verfahren hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit zu minimieren, um den sonst erforderlichen, teilweise kostenintensiven Aufwand (Messungen, geeignete Zugangsbeschränkungen für nicht mit den Gefahrstoffen Beschäftigte, technische Maßnahmen) reduzieren zu können.

Änderung der Betreuungsform von Unternehmen

Gleichzeitig mit der Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb haben bisher 12 Berufsgenossenschaften auch die Vorgaben der Betreuung der Betriebe in der neu geschaffenen BGV A2, der berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ in Kraft gesetzt, die die bisherigen BGVen A6 (Fachkräfte für Arbeitssicherheit) und A7 (Betriebsärzte) ersetzen (Tab. 3). Die übrigen Berufsgenossenschaften werden im Laufe des Jahres folgen. Die Anpassungen waren ebenfalls notwendig geworden, um sich der Intention des Gesetzgebers zur Veränderung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland anpassen zu können.
Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern wurden aus der bisherigen Regelversorgung herausgenommen. Sie haben nun die Möglichkeit, zwischen einer alternativen, bisher als Unternehmermodell bekannten Betreuungsform oder einer Variante mit einer Grundbetreuung und anlassbezogenen Betreuungen zu wählen. Festgelegte jährliche Pflichtbetreuungsstunden wie bisher gibt es nicht mehr. Wesentliche Voraussetzung für alle weiteren Schritte ist die Erstellung einer schriftlichen Gefährdungsbeurteilung.
Bei der Wahl des alternativen Betreuungsmodells muss der Unternehmer sich an Schulungs- und Motivationsmaßnahmen seiner Berufsgenossenschaft beteiligen. Zusätzlich muss er sich bedarfsorientiert durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit betreuen lassen. Bei der Wahl des Regelmodells Grund- und anlassbezogene Betreuung erfolgt die Grundbetreuung abhängig vom ermittelten tatsächlichen Gefährdungspotenzial in Abständen von 1 bis 5 Jahren insbesondere zur Erstellung und Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung. Bei sich daraus ergebenden Gefährdungspotenzialen wird eine anlassbezogene Betreuung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit, den Betriebsarzt oder externe Spezialisten für die jeweilige Fragestellung notwendig.
Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern (bei der BG für Fahrzeughaltung bis 30 Mitarbeiter) haben ebenfalls Wahlmöglichkeiten im Sinne des modifizierten Unternehmermodells mit der hauptsächlichen Verantwortung der Maßnahmen durch den Unternehmer selbst und mit bedarfsorientierter Betreuung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Andererseits können diese Betriebe genau wie Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern, die keine diesbezügliche Wahlmöglichkeit haben, sich für die Regelbetreuung entscheiden. Hier werden ähnlich wie bei der bisherigen Betreuung jährliche Mindesteinsatzzeiten für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ermittelt. Allerdings ist die Ermittlung der Einsatzzeiten nunmehr nicht mehr allein an die Größe des Unternehmens bzw. die Anzahl der Mitarbeiter gekoppelt, sondern auch an die konkreten Gefährdungen, die in diesem Betrieb bestehen, so dass die aktuelle Gefährdungsbeurteilung Grundlage für den Betreuungsbedarf der jeweiligen Firma ist.

Zukünftige Entwicklungen

Die bisher eingeleiteten Veränderungen und der nunmehr durch das Bundeskabinett bereits verabschiedete Entwurf eines Präventionsgesetzes werden in Zukunft immer mehr zu einem integrierten Ansatz der Prävention und Gesundheitsförderung als eigenständige Säulen in allen Zweigen der Sozialversicherungen führen. Prävention und Gesundheitsförderung werden wesentlicher Bestandteil in allen „Lebenswelten“, so auch in der Lebenswelt „Arbeitsplatz“. Dies ergänzt das bisherige System des Arbeits- und Gesundheitsschutzes durch Änderung des Verhaltens des Einzelnen und der Verhältnisse in seiner Umgebung mit dem Ziel der präventiven Gesundheitserhaltung und des individuellen Wohlbefindens.
Für den Unternehmer bedeutet dies, dass er wesentlich mehr eigene Aktivitäten entwickeln muss, um der gesetzlichen Vorgabe des umfassenden Gesundheitsschutzes für seine Mitarbeiter effektiv nachkommen zu können. Im Falle eines Unfalls ist es nicht mehr möglich, sich auf den Nachweis der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben von Prüffristen zurückzuziehen. Nunmehr wird ermittelt, ob die Gefährdungsbeurteilung mögliche Gefährdungen nach dem Stand der Technik und der Zumutbarkeit ausreichend berücksichtigt hat, zur Festlegung von konkreten Schutzzielen geführt hat und das Erreichen, die Effektivität und die Einhaltung dieser Schutzziele auch hinreichend überprüft wurden. Die Nichteinhaltung der Vorgaben wird nunmehr bereits im Gesetzestext mit der Androhung von Sanktionen von Ordnungswidrigkeitsgeldern bis strafrechtlicher Verfolgung untermauert.
Neben der Erfüllung rein gesetzlicher Vorgabe ist eine umfassender Prävention am Arbeitsplatz notwendig, um auch dauerhaft unternehmerische Erfolge zu erreichen. Betrieblich geförderte Gesunderhaltung der absehbar zunehmend älter werdenden Belegschaft durch Optimierung der (Arbeits-) verhältnisse sowohl ergonomisch als auch organisatorisch und Beeinflussung des (Gesundheits-)verhaltens jedes einzelnen Mitarbeiters führen neben einem möglichst niedrigem Krankenstand auch zu einer verbesserten Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Zielen und damit auch zu messbarem wirtschaftlichen Erfolg.
Auf dem Weg dahin ist die Unterstützung des Unternehmens durch qualifizierte Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit unerlässlich. Der Beratungsbedarf des Unternehmens wird deutlich steigen. Damit steigen aber auch die Anforderungen an die Qualifikation der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Untersuchungen und Messungen werden zwar ihren Platz in diesem System behalten. Wesentlich wichtiger wird es sein, dass Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit Problemstellungen in den Betrieben und Handlungsbedarf selbstständig erkennen, geeignete Maßnahmen vorschlagen und durchführen können, um das Ziel einer umfassenden Prävention im Unternehmen erreichen zu können. Coaching der Führungskräfte, Stress- und Konfliktmanagement, Suchtprävention, Erhalten der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter, Wiedereingliederung von Leistungsgewandelten und Mitarbeit bei der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sind wichtige zukünftige Aufgabengebiete. Dabei werden sich Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die bisherigen Vertreter des klassischen betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes, zukünftig auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten beispielsweise aus der Psychologie stützen müssen.
Damit bietet sich aber die Chance, die notwendige Deregulierung im Arbeits- und Gesundheitschutz als Sprungbrett für eine neue Qualität eines umfassenden Gesundheitsmanagements zum Wohle des einzelnen Beschäftigten als auch der gesamten Organisation zu nutzen.

Anschrift der Verfasser:
Dr.-Ing. Dirk-Matthias Rose, IAS Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung,
Steinhäuserstraße 19, 76135 Karlsruhe,
Tel.: (0721) 82 04 -104 , Fax: (0721) 82 04 – 440
E-Mail: D.Rose@ias-stiftung.de

Dr.-Ing. Birgit Liesemeier, IAS Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung,
Allee der Kosmonauten 47, 12681 Berlin,
Tel.: (030) 547 83 – 101, Fax: (030) 541 40 86,
E-Mail: B.Liesemeier@ias-stiftung.de

D.-M. Rose, B. Liesemeier, IAS Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung

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