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Wohin mit dem Bildschirm? Eine Feldstudie über arbeitsbedingte Beschwerden an Bildschirmarbeitsplätzen

Zusammenfassung
Wohin mit dem Bildschirm: In einer Verwaltung wurden von der Betriebsärztin 100 Bildschirmarbeitsplätze besichtigt um festzustellen, in welcher Position relativ zum Auge die Beschäftigten ihre Bildschirme auf den neuen Büromöbeln aufgestellt hatten.
Die Betriebsärztin maß die Entfernung des Monitors von den Augen wie auch den vertikalen Blickwinkel auf den Monitor. Dadurch konnte festgestellt werden, dass der größte Teil der Beschäftigten sich den Bildschirm weiter als 60 cm vom Auge entfernt postiert hatte. Diese größeren Sehabstände können die Akkommodation und Vergenz der Augen entlasten.
Die Häufigkeit der Schulter-Nackenbeschwerden wurde ermittelt. Es wird ausführlich auf die weiteren Beschwerden eingegangen, die bei der Bildschirmarbeit auftreten: RSI-Syndrom, asthenopische und psychovegetative Beschwerden.
Höhenverstellbare Büromöbel sind für den Arbeitgeber eine lohnende Investition, weil durch die wechselnden Positionen der Beschäftigten bei der Büroarbeit ein Rückgang der Rückenschmerzen möglich wird.

Schlüsselwörter: Bildschirmarbeit – Beschwerden – Monitor-Positionierung

Summary
Where to place the computer monitor? In an administration office the occupational doctor visited 100 computer workstations in order to determine the position the employees had stationed their screens on the new office furniture.
The occupational doctor measured the distance between the monitor and the eyes and the vertical gaze declination at the monitor. Most employees used viewing distances of more than 60 cm. This distance seems to be the most comfortable for the accommodation and vergence of the eyes.
The frequency of shoulder-neck complaints was determined, it is dealt in detail with the further complaints, which arise with the screen handling: RSI syndrome, asthenopic and psychovegetative complaints.
Office furniture with adjustable height is a worthwhile investment for the employer, because variation of body posture during office work can result in a decrease of the back pain.
Key words: Work at display units – complaints – monitor placement

Einleitung
Für ein beschwerdefreies Sehen am Bildschirmarbeitplatz ist zunächst die technische Qualität des Bildschirms von Bedeutung: selbstverständlich sollte der Monitor nicht flimmern und ein stabiles Bild von hohem Kontrast liefern1.
Darüber hinaus kann es für die Sehfunktion entscheidend sein, wo der Bildschirm relativ zum Auge aufgestellt ist. Die natürliche vertikale Blickrichtung ist leicht abwärts geneigt; zu hohe Bildschirme zwingen Augen und Kopf zu anstrengendem Aufwärtsblicken. Zu nahe Bildschirme können für die Augenmuskelsysteme (Akkommodation und Konvergenz) eine Belastung darstellen und so zur Ermüdung beitragen.
Frühere Studien hatten den Bereich beschrieben, in dem Beschäftigte den Bildschirm bevorzugen, um Sehbeschwerden zu vermeiden2. Dieser Bereich von Sehabständen und Blickneigungswinkeln ist in Abb. 1 hell markiert; Bildschirme im dunklen Bereich, also oberhalb der Augenhöhe oder näher als 45 cm, führen bei den meisten Beschäftigten zu Sehbeschwerden und gelten somit als ergonomisch ungünstig; dazwischen liegt ein grauer Übergangsbereich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass innerhalb des hellen Bereichs manche Personen ihre ganz individuelle Bildschirmposition bevorzugen, und zwar in Bezug auf den Sehabstand und auch die Höhe des Bildschirms relativ zum Auge. Der Grund dafür kann in individuellen Dispositionen bestimmter Sehfunktionen liegen3.
Die Personen in dieser früheren Feldstudie2 hatten vor der Vermessung der bevorzugten Bildschirmpositionen (Abb. 1) an einem Erprobungsverfahren teilgenommen: sie hatten an vier aufeinanderfolgenden Tagen mit jeweils vier deutlich unterschiedlichen Bildschirmpositionen gearbeitet (nah und hoch; nah und tief; weit entfernt und hoch; weit entfernt und tief). Ein solches Verfahren ist beschrieben unter www.ifado.de/vision. Nach dieser Erprobung war manchen Personen erst deutlich geworden, welche Bildschirmposition ihnen am angenehmsten war. Die Daten in Abb. 1 stammen aus dieser Feldstudie mit 60 Teilnehmern unter 40 Jahren, also vor Einsetzen der Alterssichtigkeit. In diesem jüngeren Alter bestehen noch keine wesentlichen Einschränkungen für das Scharfsehen am Bildschirmarbeitsplatz.
Die vorliegende Studie berichtet von einer aktuellen Umsetzung dieser arbeitsmedizinischen Kenntnisse in die Betriebspraxis. Der aktuelle Anlass dieser Studie bestand darin, dass eine Verwaltung mit neuen höhenverstellbaren Büromöbeln ausgestattet wurde. Durch die Betätigung eines Schalters konnten Schreibtisch und Computertisch motorgesteuert getrennt nach oben und unten bewegt werden, um Arbeiten in wechselnder Haltung zu ermöglichen.
An 100 Bildschirmarbeitsplätzen dieser Verwaltung wurde eine Arbeitsplatzbesichtigung durch die Betriebsärztin vorgenommen, um
1. die dabei auftretenden Beschwerden der Mitarbeiter zu erfragen,
2. den Sehabstand und die Blickneigung am Bildschirm als ein wichtiges Kriterium für die visuelle Ermüdung am Bildschirmarbeitsplatz2,3 zu bestimmen.

Methodisches Vorgehen
Die betriebsärztliche Gefährdungsbeurteilung konzentrierte sich auf die häufigsten Beschwerden am Bildschirmarbeitsplatz: Probleme der Schulter- und Nackenmuskulatur, Kopfschmerzen und Augenbeschwerden. Diese wurden von der Betriebsärztin an allen 100 Arbeitsplätzen persönlich abgefragt (siehe Tab. 1). Bei einer Häufung der Beschwerden wurde eine betriebsärztliche Untersuchung nach G37 mit einem standardisierten Beschwerdefragebogen durchgeführt um auszuschließen, dass eine unkorrigierte Fehlsichtigkeit die Ursache der Beschwerden ist.
Die Position des Monitors relativ zum Auge wurde durch den Abstand der Augen des Benutzers von der Mitte des Bildschirmes bestimmt und der vertikale Blickwinkel durch die Höhe der Augen und die Höhe der Bildschirmmitte relativ zur Tischplatte.
Die untersuchte Gruppe (Zufallsstichprobe) bestand aus 52 Frauen und 48 Männern mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren (Bereich 17 – 60 Jahre). Von den 52 Frauen waren 71% Bürosachbearbeiterinnen, die übrigen verteilten sich auf Schreibkräfte und Wissenschaftlerinnen bzw. Angestellte im höheren Dienst. Unter den 48 Männern arbeiteten 73% im höheren Dienst bzw. waren Wissenschaftler, die restlichen 27% waren Bürosachbearbeiter.

Ergebnisse
1. Vorkommende Beschwerden
5% gaben ein RSI-Symptom mit Schmerzen bis in den rechten Oberarm an, die soweit gingen, dass sie deshalb einige Tage arbeitsunfähig waren.
Frauen klagten weitaus häufiger über Beschwerden als Männer (Abb. 2); insbesondere Schulter- und Augenbeschwerden. Am häufigsten werden von den Frauen Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates genannt, gefolgt von Augenbeschwerden. Eine Ursache ist sicherlich darin zu suchen, dass die Frauen als Bürosachbearbeiterinnen (71%) mehr Schreibarbeiten als die Männer zu erledigen hatten (27%)..
7% benötigten eine stärkere Lesebrille wegen einer beginnenden Alterssichtigkeit (Presbyopie) und bei 2% war die Bildschirmbrille vom Optiker falsch vermessen worden, was durch eine erneute Vermessung der Augen ans Tageslicht kam.
18% litten unter asthenopischen Beschwerden, wie Augenbeschwerden: Tränen, Brennen, Jucken und trockene Augen. In einigen Fällen verschaffte eine stärkere Brille für den Nahbereich Linderung oder auch die Neuplatzierung des Monitors, so dass keine Blendungen oder Reflexionen entstanden.
Besondere Beschwerden resultierten bei 11% der untersuchten Arbeitsplätze daraus, dass der Monitor nicht symmetrisch zur Körpermitte stand, sondern schräg seitlich versetzt. Dies führte zu einer seitlichen Körperdrehung und einer Blickrichtung nach rechts oder links (im Vergleich zu einer natürlichen symmetrischen Körperhaltung und einer Blickrichtung geradeaus).
Eine Bürosachbearbeiterin wurde ein Jahr lang von ihrem Orthopäden durch Injektionen von örtlichen Betäubungsmitteln in die Schultermuskulatur behandelt, da sie unter starken Schulterschmerzen litt. Sie hatte ihren Monitor seitlich hinter der Tastatur aufgestellt, so dass sie sich bei jedem Blick auf den Monitor im Schultergürtel verdrehen musste. Nach einem Jahr stellte sie zufällig ihren Monitor mittig hinter die Tastatur und die Beschwerden verschwanden schlagartig.
Bei der Besichtigung der Arbeitsplätze wurde die seitliche Aufstellung bei den 11% der Beschäftigten sofort geändert und der Monitor in gerader Linie hinter der Tastatur postiert.

2. Die Benutzung der höhen-verstellbaren Büromöbel
Ein wesentlicher Vorteil höhenverstellbarer Büromöbel besteht darin, dass wechselnde Haltungen während eines Bürotages die Nacken- und Rückenbeschwerden verringern oder auch ihre Entstehung verhindern. Denn durch wechselnde Haltungen wird die statische Haltearbeit des motorischen Muskelapparates unterbrochen. Die Bandscheibenernährung verbessert sich durch osmotische Druckveränderungen in der Bewegung; die Bandscheiben bleiben dadurch elastisch und schmerzfrei.
Der größte Teil der befragten Mitarbeiter/innen benutzte die leicht zu bedienende Mechanik der Büromöbel und fährt entweder den PC-Tisch oder den Schreibtisch mit Telefon ca. 1-2mal pro Tag hoch, so dass einige Zeit im Stehen am Schreibtisch oder am Computertisch gearbeitet wird. Auch der Besprechungstisch kann hochgefahren werden.
Allerdings fällt es spontan vielen Mitarbeitern/innen schwer, diesen Effekt zu nutzen und in wechselnder Haltung zu arbeiten. Es ist daher eine Einweisung in den zweckmäßigen Gebrauch des Mobiliars notwendig.
Insgesamt sind die höhenverstellbaren Büromöbel eine lohnende Investition, die allen Beteiligten zu mehr Bewegung bei der Büroarbeit verhilft.

3. Die Position des Bildschirms relativ zum Auge
Die Teilnehmer der Studie hatten durch die Verstellbarkeit der Büromöbel die technische Möglichkeit, die Bildschirmposition so zu wählen, dass Augenbeschwerden oder unscharfes Sehen möglichst vermieden werden. Es bestand die Frage, in welcher Weise die Teilnehmer diese Möglichkeit nutzen. Im Vergleich zu der früheren Feldstudie (Abb. 1) ohne alterssichtige Personen, nahmen in der aktuellen Studie Personen im Alter zwischen 17 und 60 Jahren teil, bei einem mittleren Alter von 44 Jahren. Die älteren Beschäftigten trugen bei der Arbeit zum großen Teil Bildschirmbrillen, meist Gleitsichtbrillen. Man sieht in Abb. 5, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den zwei Altersgruppen unterhalb und oberhalb von 44 Jahren gibt; die Verteilungen sind offenkundig vermischt. Man sieht, dass in diesem Feldversuch ältere wie jüngere Personen im Durchschnitt ähnliche Bildschirmpositionen verwendeten.
Diese aktuelle Stichprobe (Abb. 4) hatte nicht an einem Erprobungsverfahren teilgenommen wie die Referenzgruppe (Abb. 1); d. h. die Personen hatten keine Anleitung erfahren, ihre optimale Bildschirmposition herauszufinden (siehe Einleitung). Dies mag der Grund dafür sein, dass etwa 5 Teilnehmer relativ hohe Bildschirme verwendeten, was im allgemeinen ungünstig ist. Es wurden auch im Durchschnitt geringere Sehabstände verwendet: 20 der 100 Personen hatten den Bildschirm bei 60 cm und näher stehen, in der Referenzgruppe mit optimierter Bildschirmposition jedoch niemand. Dies deutet darauf hin, dass zumindest ein Teil dieser 20% von einem größeren Abstand profitieren könnte, weil dadurch die Augenmuskeln entlastet werden.
Bei 6% der Teilnehmer stand der Monitor auf dem Rechner. Dadurch wurde der Monitor um bis zu 16 cm erhöht und der/die Benutzer/in blickte zum Monitor aufwärts statt abwärts. Teilweise wurde ein senkrechtstehender Rechner waagerecht umgelegt, um darauf den Monitor zu platzieren. Das hatte zur Folge, dass bei der Betrachtung des Bildschirmes der Kopf angehoben werden musste und so die Nackenmuskulatur noch stärker angespannt wurde als bei der üblichen Schreibtischtätigkeit.
Auch hier wurde an Ort und Stelle darauf hingewiesen, den Rechner vorzugsweise unter den Drucker zu stellen und nicht unter den Bildschirm, wozu es einiger Überzeugungskraft bedurfte. In beiden Fällen erleichterte die geänderte Aufstellung des Monitors die Arbeit.

Diskussion
In einer Verwaltung wurden alle Büroarbeitsplätze mit höhenverstellbaren Bürotischen ausgestattet. Die Position des Bildschirmes auf den Büromöbeln stand den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen frei. Die Betriebsärztin nahm dies zum Anlass, um an 100 Bildschirmarbeitsplätzen die von den Mitarbeitern/innen gewählte Aufstellung des Bildschirmes auszumessen und gleichzeitig die Beschwerden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Arbeit am Bildschirm zu erfragen.
Frauen litten häufiger unter muskulo-skelettalen Beschwerden, die generell im höheren Alter zunehmen. Das hängt mehr vom Arbeitsinhalt ab als von der Konstitution: Frauen sind häufiger mit Schreibarbeiten beschäftigt, während Männer in der Regel Tätigkeiten ohne ausschließliche Schreibarbeiten verrichten. Bei gleicher Belastung treten diese Beschwerden bei beiden Geschlechtern mit gleicher Häufigkeit auf4.
Die Blickrichtung der Augen auf einen seitlich stehenden Monitor bewirkt eine Rotation im Schulterbereich, wodurch durch die enge Nachbarschaft von Sehnen und Muskulatur sowohl Schleimbeutel als auch Nerven im Schulterbereich in Mitleidenschaft gezogen werden können5. Bei zu hoch postierten Monitoren führt ..”die Dauerbeanspruchung zu schmerzhaften Muskelverspannungen und -verhärtungen, schmerzhaften Reizungen der Ansatzstellen der Muskeln und Bänder5.
Schmerzen im Hals-, Nacken- und Rückenbereich sind bekanntlich weit verbreitet bei der Ausübung von Bildschirmarbeit; eine fehlerhafte Blickrichtung kann hierfür die Ursache sein.
Als orthopädische Therapie wird empfohlen, mittels spezieller Dehnungs-, Mobilisations- und Stabilisationsübungen ein individuelles Bewegungsprogramm für jeden einzelnen Patienten zu entwickeln, das dieser am Arbeitsplatz zur Reduktion der Schmerzen durchführen kann6.
In § 5 Bildschirmverordnung heißt es „Der Arbeitgeber hat die Tätigkeit der Beschäftigten so zu gestalten, dass die tägliche Arbeit am Bildschirm durch andere Tätigkeiten oder durch Pausen unterbrochen wird, die jeweils die Belastung durch die Arbeit am Bildschirm verringern“7.
Mehr Bewegung ist bei Bildschirmarbeit hilfreich: durch stundenlanges Ruhigsitzen und Starren auf den Bildschirm verringert sich die durch osmotischen Druckaustausch bedingte Ernährung der Bandscheiben und verursacht so Schmerzen und Verspannungen im Nacken- und Rückenbereich. Auch Gefäßerkrankungen werden durch die Bewegungslosigkeit am Arbeitsplatz mitverursacht, wie folgendes Beispiel zeigt:
Ein 32-jähriger Mann verbrachte pro Tag 12-18 Stunden vor dem Bildschirm. An manchen Tagen bewegt er sich 5-6 Stunden nicht am Bildschirmarbeitsplatz. Als Folge dieser Unbeweglichkeit erlitt er eine Beinvenenthrombose, zu deren Behandlung er stationär aufgenommen wurde. Durch entsprechende medikamentöse Behandlung und Änderung des Bewegungsverhaltens wurde er wieder gesund. Um das Entstehen dieser sogenannten E-Thrombose zu verhindern, muss die Arbeit am Computer regelmäßig durch Aufstehen und Bewegung unterbrochen werden…8.
Dies wird leicht durch höhenverstellbare Büromöbel realisiert: der Schreibtisch oder der Computertisch kann problemlos hochgefahren werden, so dass der Benutzer zum Aufstehen gezwungen wird, wenn er/sie die entsprechenden Tätigkeiten erledigen möchte. Besprechungen können im Stehen erledigt werden. Eine solche Büroausstattung bedeutet eine wirksame Verhältnisprävention gegen das Entstehen von Rückenschmerzen und Varizenbildung.
Unter dem RSI (Repetitive Strain Injury)-Syndrom versteht man 2 Arten von Erkrankungen:
1. Sehnenentzündungen in der Schulter, im Ellbogen (Epicondylitis, Tennisellbogen), im Handgelenk (Tendovaginitis crepitans Sehnenscheidenentzündung) und im Finger (Tendovaginitis stenosans schnellender Finger)
2. Nervenkompressionen, die dadurch entstehen, dass entzündete Sehnen auf die Nerven drücken (Karpaltunnelsyndrom). Bei diesem führt die Kompression des N.medianus durch Bindegewebswucherungen zu ziehenden Schmerzen im Handgelenk bis in
die Finger ausstrahlend (besonders nachts)9. Beschwerden und Störungen im Hand-Armbereich sind bei Bildschirmarbeit 7-12 mal häufiger als in der Normalbevölkerung. Aber dennoch wird bisher diese Erkrankung weder in Deutschland noch in der gesamten EU als Berufskrankheit anerkannt, im Gegensatz zu den USA und Australien („Repetitive strain injuries in the member states of the European Union“ http://agency.osha.eu.int/).
Das RSI-Syndrom besteht aus den folgenden Symptomen: Schulter/Nacken-Verspannungen; Muskelschmerzen im Arm, Schmerzen und Kribbeln in Arm, Hand bzw. Fingern10. Es gibt zwei Möglichkeiten der Entstehung dieses Syndroms
1. Die Tastaturbedienung stellt eine dynamische Arbeit der Hand- und Fingermuskulatur dar, die durch ständig wiederholte, einseitige Bewegungen gekennzeichnet ist. Charakteristisch für solche repetitiven Arbeiten ist die kontinuierliche Aktivierung immer gleicher motorischer Einheiten, die zu ähnlichen Folgen wie statische Muskelarbeit führt5. Es besteht eine deutliche Abhängigkeit von der Betätigungsfrequenz.
2. Auch eine exzessive Mausbetätigung zur Computersteuerung kann die oben geschilderten Störungen auslösen5, ebenso wie eine unergonomische Tastaturgestaltung.
An Bildschirmarbeitsplätzen, an denen mehr als 70% Schreibarbeiten geleistet werden, sollten ergonomische abgewinkelte Tastaturen mit einstellbarem Öffnungswinkel von 25 – 30 Grad verwendet werden, um vor allem die Entstehung des Carpaltunnelsyndroms zu verhindern. Denn die Zwangshaltung der Hand bei den geraden, flachen Tastaturen ist bei intensiver Tastaturarbeit maßgeblich für die Kompression des Mediannervs verantwortlich9.
Gelenke, Sehnen und Muskeln werden durch die wiederholten schnellen Bewegungen auf der Tastatur und mit der Maus so geschädigt, dass sie sich in der arbeitsfreien Zeit und über Nacht nur unzureichend regenerieren12. Hier hilft eine effektive Prävention in der Arbeitsorganisation: Mischarbeit und regelmäßige Pausen, sowie eine gute ergonomische Ausstattung des Bildschirmarbeitsplatzes.
Als Erleichterung bietet sich hier auch die Verwendung von Gel-Handballenauflagen sowohl für die Maus als auch für die Tastatur an, die ein starkes Abknicken des Handgelenkes verhindern, durch welche die RSI-Beschwerden noch verstärkt werden12.
Die asthenopischen Beschwerden lassen sich einteilen in:
a) Augenreizung: Augenbrennen, Augenrötung, Gefühl von Sand in den Augen, trockene oder tränende Augen.
b) Sehbeschwerden: erhöhte Licht- und Flimmerempfindlichkeit, Schleiersehen, verschwommenes und Doppelt-Sehen.
c) cerebrale Beschwerden: Kopfschmerzen, Ermüdung und Schwindelgefühl13.
Als Ursachen asthenopischer Beschwerden gelten zunächst unkorrigierte Fehlsichtigkeiten und bei Alterssichtigkeit eine nicht optimale Abstimmung von Bildschirmbrille und Positionierung des Bildschirms (relativ zum Auge). Darüber hinaus können Störungen der beidäugigen Koordination zu Sehbeschwerden beitragen. Aus ergo-ophthalmologischer Sicht wird zu einer differenzierten Aufschlüsselung der Binokularqualität geraten, mit der Konsequenz, individuell extreme Sorgfalt auf die Brillenanpassung zu legen, sobald Binokularstörungen vorliegen5, 2.
Relativ nahe Bildschirme können auch bei jungen Personen zur Belastung der Augenmuskelsysteme der Akkommodation und Konvergenz führen. Es zeigte sich, dass 80% der untersuchten Gruppe den Bildschirm in einem Sehabstand von mehr als 60 cm benutze, ja es gibt sogar Abstände bis zu 100 cm. Diese großen Sehabstände wurden hier auch von Personen angewendet, die wegen ihrer Altersichtigkeit eine Bildschirmarbeitsplatzbrille trugen.
Für eine möglichst flexible Verstellung der Bildschirmposition sind Flachbildschirme besser geeignet als schwere voluminöse Monitore mit Bildröhren; insbesondere eine tiefere Aufstellung und eine stärker geneigte Blickrichtung lässt sich mit Flachbildschirmen praktikabler erzielen (www.arbeitnehmerkammer.de/ergo-time/).
Eine weitere Ursache von Augenreizungen sind trockene Augen durch ein permanentes Starren auf den Monitor mit einer verminderten Lidschlagfrequenz als Folge. Dadurch versiegt die Produktion der Tränenflüssigkeit und es kommt zu Brennen und Jucken der Augenoberfläche durch zu große Trockenheit. Regelmäßige Pausen mit Entspannungsübungen der Augen15 sind hier angezeigt. Es wird auch berichtet16, dass das Abwärtsblicken auf einen tiefer aufgestellten Bildschirm dazu führt, dass der Augapfel weiter von den Lidern abgedeckt ist und somit das Austrocknen geringer sein kann. Beim Ersatz der Tränenflüssigkeit durch Tropfen handelt es sich um eine rein symptomatische Therapie mit der Langzeitwirkung der Hemmung der eigenen Tränenflüssigkeit.
Wenn die beschriebenen muskulo-skelettalen und asthenopischen Beschwerden einhergehen mit Arbeitsbedingungen, die gekennzeichnet sind von Zeitdruck, Verantwortung oder Arbeitsplatzunsicherheit, dann kann es in der Summe zu folgenden psychovegetativen Problemen kommen: Durchschlafprobleme, Gefühl, im Stress zu sein, Obstipation, Missempfindungen an Armen und Beinen, Schweißausbrüche, Benommenheitsgefühl, ruhelose Hände, Kreuzschmerzen, Lichtempfindlichkeit gegen Flackerlicht, Geräuschempfindlichkeit (Freiburger Beschwerdeliste)14.

Resumeé:
Auch nach 25 Jahren Bildschirmarbeit gibt es immer noch unergonomische und Beschwerden-verursachende Arbeitsplätze. Jedoch gehört Bildschirmarbeit heute zum Bürostandard und daher sollte sie so gestaltet sein, dass möglichst wenig Beschwerden auftreten – nach wie vor eine utopische Forderung, wie unsere Feldstudie zeigt.
Um die Augenmuskeln (Akkommodation und Konvergenz) zu entlasten, sollte der Bildschirm einen Abstand vom Betrachter von mehr als 60 cm aufweisen. Der Bildschirm soll flimmerfrei sein und ein kontrastreiches, reflexloses Bild liefern, dies sind die Minimalforderungen für einen Bildschirmarbeitsplatz.
Optimal sind dann noch höhenverstellbare Büromöbel, die dynamisches Sitzen durch wechselnde Positionen ermöglichen und so auch den Büroangestellten Bewegung verschaffen.
Um diese oben angeführten arbeitsbedingten Beschwerden sowohl im visuellen Bereich als auch bei auftretenden Muskel-Gelenkbeschwerden adäquat zu therapieren, wurde in Dortmund
ein Arbeitsmedizinisches Bildschirm Netzwerk zwischen Betriebsärzten, Wissenschaftlern, niedergelassenen Augenärzten und Orthopäden gegründet.
Arbeitnehmer, die unter Sehbeschwerden oder Muskel-Skeletterkrankungen leiden, können sich diese arbeitsbedingten Beschwerden von den niedergelassenen Augenärzten bzw. Orthopäden des Netzwerkes adäquat behandeln lassen, nachdem im Institut für Arbeitsphysiologie die Koordination beider Augen in Arbeitsposition überprüft wurde, um binokulare Defizite frühzeitig zu erfassen (www.ifado.de/vision). Die ersten Behandlungen sind so erfolgsversprechend verlaufen, dass überlegt wird, noch mehr Betriebe und Institute mit ins Netzwerk aufzunehmen.

Literatur
1 Wohlbefinden im Büro. Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Büroarbeit. Inqabuero baua, Dortmund, September 2004.
2 Jaschinski W. Zur individuellen Gestaltung am Bildschirmarbeitsplatz: Sehabstand und Blickneigungswinkel. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 1999a; 34: 277-281.
3 Jaschinski W. Die Bedeutung von Sehabstand und Blickneigung für individuelle Sehfunktionen und visuelle Ermüdung am Bildschirmarbeitsplatz. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 1999b; 34: 225-230.
4 Leodalter K-M, Lindorfer M, Jäger R. Beschwerden bei Bildschirmarbeit in Abhängigkeit von deren Dauer und Gestaltung des Arbeitsplatzes. Zbl Arbeitsmed Arbeitsschutz Ergonomie 1996; 2: 42-48.
5 Arbeitsmedizinische Aspekte der modernen Büroarbeit. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Tagungsbericht 5, Berlin1995.
6 Kuhne H.-P. et al: Auswirkungen spezieller Dehnungs- und Stabilisierungsübungen auf die Halswirbelsäulenbeweglichkeit. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2002; 37: 5.
7 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn: Arbeitsschutz: „Bildschirmarbeit“ 1998.
8 Meier JE. Thrombose: Gefahr am PC-arbeitsplatz? Computer-Fachwissen 2003; 12: Nr. 3: 10-13.
9 Kössler F, Heuchert, G. Fragen und Antworten zum RSI-Begriff. Ergo-Med 1993; 2: 40-45.
10 Verbreitung von RSI – wer regelmäßig am Computer arbeitet, ist selten beschwerdefrei. Arbeit und Ökologiebriefe 2003; 10: Nr. 9.
11 Thomas Wittig „Ergonomische Gestaltung von Tastaturen vermeidet Krankheiten“. Maschinenmarkt 1006; 102: 36.
12 RSI-Mausarm & Co. Direkt – Der Info-Dienst der IG Metall 2002; Nr. 18.
13 Schierz C. Der Einfluss der Arbeitsplatzbeleuchtung auf asthenoptische Beschwerden. Zbl Arbeitswiss 2003; 1: Nr. 53.
14 Augenbeschwerden und Bildschirmarbeit. Sicher Arbeiten, 6,1998.
15 Scholl L. Das Augenübungsbuch, Sachbuch rororo, 1994
16 Abe S., Sotoyama M., Taptagaporn S, Saito S, Villanueva MBG, Saito S. In: Grieco A, Molteni G, Piccoli B, Occipinti B (Eds.) Relationship between vertical gaze direction and tear volume.) Work with Display Units 94 Amsterdam: Elsevier Science, pp. 95-99 (1995).

Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Inge Zeller
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Friedrich-Henkel-Weg 1–25
44149 Dortmund

Dr. med. Inge Zeller* und Dr.-Ing. Wolfgang Jaschinski**

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