01_Betriebliches Gesundheitsmanagement

Tipps für das mobile Büro

Das Gespräch führte Petra Jauch.

Herr Stephan, letztendlich sind kurz- fristig bezogene Arbeitsplätze im Zug oder andernorts immer improvisiert, doch es gibt einige Punkte und Hilfs- mittel, die zu einer verbesserten Ergo- nomie führen. Was gehört zur Basisaus- rüstung für mobile Arbeiter?

Andreas Stephan: Das ist eine Frage der Arbeitsaufgabe. Wenn Beschäftigte nur Kleinigkeiten zu erledigen haben wie etwa E-Mails sichten oder kurz etwas im Internet recherchieren, genügen ein Smartphone oder Tablet. Wenn längere Texte zu schreiben beziehungsweise zu bearbeiten sind, ist schon etwas Größeres gefragt: ein Notebook oder Convertible.

Arbeitgeber müssen sich – das ist ein ganz entscheidender Punkt – bewusst machen: Was ist die Aufgabe der Person, die unterwegs ist, und wie kann sie diese vernünftig bewältigen? Dabei steht die Ergonomie natürlich im Vordergrund. Es ist zum Beispiel ziemlich anstrengend, längere Texte mit der virtuellen Tastatur eines Tablets einzugeben, weil man quasi auf einer Glasscheibe herumtippt – unangenehm für die Fingerkuppen. Von der Haptik her ist eine Tastatur mit Druckpunkt da schon bedeutend besser.

Nehmen wir einmal an, ich muss relativ viel am Bildschirm arbeiten. Was brauche ich dann für ein Gerät?

Andreas Stephan: Ich würde zu einem Convertible oder einem Notebook raten. Das Convertible ist ja eine Art Synthese: Wenn ich die Bildschirmeinheit von der Tastatur trenne, wird es zum Tablet. Ich kann diese aber auch wieder andocken und verfüge dann über eine richtige Tastatur. Allerdings haben diese Rechner meist eine relativ kleine Bildschirmdiagonale. Hier stellt sich die Frage, was der Nutzer auf dem Bildschirm alles erkennen muss – manche Anwendungen passen sich nicht an die Größe des Bildschirms an. Das ergibt dann nur noch Mäusekino …

Das Arbeitsgerät sollte demnach nicht grundsätzlich eine bestimmte Größe und Qualität haben?

Andreas Stephan: Die Ausrüstung ist, wie gesagt, immer abhängig von der Art der Nutzung. Es gibt heutzutage hochauflösende Displays, die schon auf einem 13 Zoll Monitor Full HD bieten.

Der Bildschirm sollte aber in jedem Fall eine entspiegelte Oberfläche haben. Denn bei den unterschiedlichen Lichtverhältnissen unterwegs werden hochverspiegelte Oberflächen schnell zu einem Problem. Je nach Lichteinfall lässt sich darauf nicht selten so gut wie gar nichts mehr erkennen.

Selbst die Anbieter aus dem Gaming-Bereich werben jetzt explizit mit „non clare“, also entspiegelter Oberfläche. Vor zehn Jahren hieß es noch, nur eine spiegelnde Oberfläche erzeuge die gewünschte Farbbrillanz. Das lag aber daran, dass die Bildschirme damals noch sehr lichtschwache Displays hatten.

Ein wichtiger Punkt bei der Ausrüstung ist sicherlich das Gewicht.

Andreas Stephan: Absolut. Dies spielt ja grundsätzlich eine wichtige Rolle bei der Ergonomie auf Reisen: Alles, was ich mit mir herumschleppe, ist prinzipiell eine Belastung. Zu überlegen ist deshalb auch die Art und Weise des Transports: Womöglich ist ein Rucksack besser geeignet als eine Tasche, die schwer auf einer Schulter hängt.

Auch und gerade wegen des Gewichts sollte man abwägen, wie hoch die Leistungsfähigkeit des mobilen Rechners sein muss: Ein großer Energiespeicher wiegt einfach mehr – auch wenn sich hier schon viel getan hat. Geräte mit leistungsstarken Prozessoren zur Bearbeitung von Bildern oder Videos benötigen in der Regel stärkere Akkus als einfachere Rechner, die für die meisten Office-Anwendungen vollkommen ausreichend sind.

Kommen wir zu den Umgebungsbedin- gungen: Wie finde ich einen geeigneten Platz zum mobilen Arbeiten?

Andreas Stephan: Zu beachten sind vor allem die Lichtverhältnisse: Draußen lässt sich beispielsweise nur bei bewölktem Himmel arbeiten, bei strahlendem Sonnenschein ist das illusorisch. Smart-phone-Nutzer kennen das Problem, dass sie auf dem Bildschirm dann nichts mehr erkennen. Das gilt auch für ein Notebook, selbst unter einer Markise kann das Problem auftreten. Mit zunehmender Beleuchtungsstärke sind insbesondere Farben nicht mehr voneinander unterscheidbar: Rot, blau und grün werden nur noch als graue Flächen wahrgenommen oder gar nicht mehr gesehen.

Dasselbe Problem ergibt sich auch in einem Gebäude mit künstlicher Beleuchtung. Mit einem entspiegelten Display bekommt man das aber in den Griff. Bei einem Touchscreen besteht allerdings die Gefahr, dass sich durch die Benutzung ein Fettfilm darauf absetzt, der ebenfalls spiegelt.

Sind Fensterplätze demnach eher ungünstig?

Andreas Stephan: Nicht unbedingt, denn meistens haben sie eine Beschattungsmöglichkeit. Im Zug ist es vor allem wichtig, einen Sitzplatz am Tisch zu wählen, um eine möglichst aufrechte Sitzhaltung einnehmen zu können. Ein richtiger Tisch ist besser als ein Sitz mit diesen Klapptischchen. So können Sie das Tablet auch einmal ablegen oder aufstellen, wenn es eine Hülle mit dieser Funktion hat. Weniger gut ist, das Notebook auf den Knien zu halten. Das führt zwangsweise zu einer Fehlhaltung mit gebeugtem Rücken und gekrümmtem Hals.

Knackpunkt ist also die Körperhaltung. Was kann ich noch tun, um mich nicht zu verrenken?

Andreas Stephan: Das korreliert wiederum mit der Beleuchtung. Man sieht ja häufig Menschen, die versuchen, sich so zu drehen oder zu verbiegen, dass genug Schattenwurf auf dem Display ist. Das sollte man auf jeden Fall vermeiden.

Die Körperhaltung darf aber durchaus wechseln – man muss nicht wie ein preußischer Soldat starr mit den Beinen im rechten Winkel sitzen. Das ist nur eine Referenzsitzhaltung, die wir vorgeben, wenn es um die Einrichtung eines Büroarbeitsplatzes geht. Unter Reisebedingungen ist das auch gar nicht realisierbar. Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Beine abwechselnd zu belasten, auch mal übereinanderzuschlagen. Je mehr Positionswechsel desto besser.

Hinzu kommen Umgebungsbedingungen wie die Lärmbelastung. An öffentlichen Orten lässt sich kaum Ruhe einfordern. Wie kann man trotzdem möglichst konzentriert arbeiten?

Andreas Stephan: Das ist in der Tat schwierig. Ich kann natürlich mit einem Gehörschutz arbeiten, zum Beispiel mit einem klassischen Kapselgehörschützer. Etwas angenehmer ist die Verwendung von Kopfhörern, mit denen ich meine Lieblingsmusik hören kann. Hier gibt es inzwischen Modelle mit „Noise Cancelling“ beziehungsweise „Active Noise Cancelling“, wie es von den verschiedenen Herstellern bezeichnet wird. Diese Kopfhörer besitzen eine sehr fixe Prozessoreinheit, die das Umgebungsgeräusch aufnimmt und phasenverschoben wieder einspielt. So wird der Umgebungsschall ausgelöscht. Das funktioniert aber nur bedingt: Sprache bekommen Sie damit nicht wirklich in den Griff, aber Grundgeräusche wie im Flugzeug oder in einer Menschenmasse können diese Systeme relativ gut ausblenden.

Ist es nicht riskant, wenn ich nichts mehr aus meiner Umgebung mitbekomme?

Andreas Stephan: Das ist die Kehrseite der Medaille. Ich würde einen solchen Kopfhörer deshalb nur jemandem empfehlen, der einen festen Sitzplatz hat. Auf gar keinen Fall sollte man ihn tragen, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt. Noch einmal: Wir reden hier über Arbeit. Das heißt, es geht nicht darum, E-Mails im Gehen und Stehen oder gar beim Autofahren zu checken. Das sollte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch klar vereinbart sein.

Was hat der Arbeitgeber noch für Verpflichtungen?

Andreas Stephan: Er muss in jedem Fall eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Das heißt, er muss das System betrachten und Maßnahmen daraus ableiten. Gleichzeitig muss er die Beschäftigten aber auch soweit bringen, dass sie sich die Risiken bewusst machen und zu einer eigenen kleinen Gefährdungsbeurteilung fähig sind. Das heißt, die Unterweisung der mobilen Arbeiter muss einen deutlich größeren Raum einnehmen.

Der mobile Arbeiter muss also selbst vor Ort entscheiden: Lässt sich unter den gegebenen Bedingungen – Lichtverhältnissen, Temperatur, Lärmbelastungen – arbeiten?

Andreas Stephan: Richtig, aber das geht nicht so weit, dass mobile Arbeiter erst eine Beleuchtungsmessung durchführen oder den Lärmpegel bestimmen müssen. Es gibt zwar mittlerweile diverse Apps zu diesem Zweck, aber die sind erstens unzuverlässig und zweitens halte ich das für keinen zielführenden Ansatz. Der Arbeitgeber sollte einfach darauf hinweisen, dass niemand zum Arbeiten verpflichtet ist, wenn es zu laut, zu warm oder keine Konzentration möglich ist.

Zu einem gewissen Grad kann er auch technisch beeinflussen, dass sich die Beschäftigten nicht etwa selbst ausbeuten – zum Beispiel, indem das System zu festgelegten Ruhezeiten keine Mails durchstellt. Das hat meines Wissens VW vor vielen Jahren gemacht. Eine solche Reglementierung bedeutet jedoch andererseits einen Einschnitt in die Flexibilität. Manche Beschäftigte möchten zum Beispiel länger arbeiten, um den Vormittag anderweitig nutzen zu können. Eine Pauschalaussage ist an dieser Stelle daher schwierig.

Damit sind wir bei den psychischen Belastungen, die bei mobilen Arbeitern natürlich auch eine Rolle spielen. Das Problem der ständigen Erreichbarkeit haben Sie gerade angesprochen. Wie kann man dies noch eindämmen?

Andreas Stephan: Man kann sich hier ganz gut an den Vorgaben im Arbeitszeitgesetz orientieren: Zwischen Arbeits-ende und Arbeitsbeginn sollte eine Ruhephase von elf Stunden liegen. Wenn ich morgens nicht arbeite, kann ich abends noch mal ran – das ist ja bei Schichtarbeit nicht anders. Aber jeder braucht ein Fenster, einen größeren Block zum Abschalten.

Der „Schreibtisch in der Tasche“ kann dazu verleiten, jede freie Minute zum Arbeiten zu nutzen. Das ist sicher eine Gefahr. Doch summa summarum: Wie bewerten Sie die neuen Entwicklungen?

Andreas Stephan: Ich glaube, das kann man nicht schwarz-weiß sehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Menschen – mich eingeschlossen – die mobilen digitalen Angebote nicht mehr missen wollen. Schnell etwas im Internet nachschauen oder kurz die Mails checken – das ist ja keine Belastung, sondern ein Gewinn.

Auf der anderen Seite entsteht dieser zum Teil selbst auferlegte Zwang, immer etwas Sinnvolles tun zu müssen. Nach dem Motto: Das Boarding hat noch nicht begonnen – da kann ich noch schnell die Präsentation zusammenschustern. Das ist dann allerdings schon weniger sinnvoll. Größere Arbeiten sollten lieber stationär – zumindest an einem Schreibtisch – in vernünftiger Sitzhaltung ausgeführt werden. Kleinere Aufgaben sind hingegen mittels Tablet oder Smartphone kurzerhand mobil zu erledigen, das ist sinnfällig und nützlich. Aber wir dürfen uns nicht zu sehr in diese Erwartung hineindrängen lassen, dass alles immer und sogleich und in jedem Umfang erledigt werden kann. Das wird nicht funktionieren.


Weitere Informationen

  • Faltblatt „Mobil arbeiten mit Notebook & Co. – Tipps für die Arbeit unterwegs“, herausgegeben von der VBG. Die Information kann im PDF-Format unter www.vbg.de (Suchbegriff „Mobil arbeiten“) heruntergeladen werden.
  • „Review zu physischer Beanspruchung bei der Nutzung von Smart Mobile Devices“: Der Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ist erhältlich unter www.baua.de/publikationen.

Mobile Arbeit: Die wichtigsten Punkte im Überblick

Grundausstattung

  • Das Arbeitsmittel muss zur Arbeitsaufgabe und Arbeitsumgebung passen.
  • Tablets und Smartphones eignen sich nur für kleine Aufgaben.
  • Für umfangreichere Arbeiten empfehlen sich Notebooks oder Convertibles.
  • Auf entspiegelte Displays und Bildschirme achten.
  • Die Bildschirmanzeige sollte eine hohe Leuchtdichte/Helligkeit besitzen.
  • Für Bildschirmgröße und Leistungsfähigkeit gilt: So groß wie nötig, so klein wie möglich.
  • Das Gesamtgewicht sollte unter drei Kilogramm liegen.
  • Zum Transport empfehlen sich Rucksack oder Tasche mit Laptop-Fach.

Zubehör für längere Einsätze

  • externe Tastatur mit Druckpunkten und positiver Beschriftung (helle Tasten mit dunkler Beschriftung)
  • zusätzliche ergonomische Maus
  • Zusatzakku für längere Laufzeiten

Vor Ort zu beachten

  • Ungeeignet sind Orte mit starkem Lichteinfall, ohne Beschattungsmöglichkeit für den Bildschirm.
  • Fehlhaltungen vermeiden: Mit dem Notebook auf dem Schoß kann nur kurz gearbeitet werden.
  • Einen Platz am Tisch wählen beziehungsweise reservieren.
  • Die Sitzposition möglichst oft wechseln.

Arbeitsorganisation

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Gefährdungsanalyse zu erstellen und Maßnahmen abzuleiten
  • Sie sollten Mitarbeitern die Risiken mobiler Arbeit bewusst machen und deren Eigenverantwortung stärken.
  • Erwartungen und Grenzen sind eindeutig zu klären.
  • Die Arbeitszeiten sollten definiert sein und eingehalten werden.
  • Bewegung kann zu einer Reduzierung von Beschwerden beitragen. Deshalb sollte auch die Arbeit unterwegs durch gezielte Bewegungspausen unterbrochen werden. Anregungen hierzu gibt das VBG-Faltblatt: „Gymnastik im Büro, Fit durch den Tag“, online erhältlich unter

www.vbg.de

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